Gefährdungshaftung ist die Haftung für Schäden, welche sich aus einer erlaubten Gefahr (z. B. Betrieb einer gefährlichen Einrichtung, Halten eines Haustieres) ergeben. Im Unterschied zur Haftpflicht wegen unerlaubter Handlung kommt es bei einer Gefährdungshaftung auf die Widerrechtlichkeit der Handlung oder ein Verschulden des Schädigers nicht an.
            
 | Duden Recht  |  |  | |
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| Gefährdungshaftung |   |  | |
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| Haftung  für Schäden, die auch ohne Verschulden des Haftpflichtigen eingetreten  sind. Grundsätzlich kennt das deutsche Recht nur eine  verschuldensabhängige Haftung, d. h., eine Schadensersatzpflicht tritt  nur dann ein, wenn der Schädiger den Schaden fahrlässig oder vorsätzlich  herbeigeführt hat (unerlaubte Handlung).  In bestimmten Fällen begründet das Recht eine Ersatzpflicht jedoch auch  für solche Schäden, die durch eine rechtmäßige, aber für andere mit  Gefahren verbundene Betätigung verursacht werden, sogenannte  Gefährdungshaftung. Eine Gefährdungshaftung ist v. a. für folgende Gruppen normiert: für Fahrzeughalter im Straßenverkehr, für Halter von Luftfahrzeugen, von Tieren, für Unternehmer von Eisen-, Straßenbahnen und von Energieanlagen (einschließlich von Kernenergieanlagen), für Betreiber von Gentechnikanlagen und im Bereich des Umweltschutzes. Die Gefährdungshaftung beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine gefährliche Betätigung ausübt oder eine gefährliche Anlage betreibt und daraus Nutzen zieht, auch für Schäden haften soll, die Außenstehende dadurch erleiden, dass die Gefährdung sich verwirklicht. Um in einer Industriegesellschaft das Wirtschaftsleben und den technischen Fortschritt nicht unnötig zu behindern, erlaubt die Rechtsordnung bestimmte Tätigkeiten und Anlagen (z. B. den Betrieb eines Kfz, Energieanlagen) um ihrer Vorteile willen, auch wenn sie mit Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden sind. Realisiert sich die Gefahr und kommt es - auch ohne Verschulden des Betreibers - zu Personen- und Sachschäden, so wäre es unbillig, den Verletzten den Schaden tragen zu lassen oder ihm den Schadensausgleich nur dann zuzugestehen, wenn er dem Schädiger ein Verschulden nachweist. Letzteres wird ihm bei den oft komplizierten Geschehensabläufen nicht oder nur mit Mühen gelingen. Daher begründet die Rechtsordnung auch bei einem nicht verschuldeten Schadenseintritt eine Haftung desjenigen, der die Gefahrenquelle beherrscht und daraus seinen Nutzen zieht. Die G. bedarf jedoch einer Begrenzung, um den "schuldlosen" Schadensersatzpflichtigen nicht unverhältnismäßig zu belasten. Die Haftung ist daher in den einschlägigen Spezialgesetzen unter anderen Gesichtspunkten wieder eingeschränkt, insbesondere meist ausgeschlossen, wenn der Schaden auf höhere Gewalt zurückzuführen ist (z. B. § 1 Haftpflichtgesetz, § 7 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz, StVG). Darüber hinaus enthalten die Gesetze insofern eine Risikobegrenzung, als die Haftung auf bestimmte Höchstbeträge beschränkt ist (§ 12 StVG, § 10 Haftpflichtgesetz, § 31 Atomgesetz). Dadurch wird dem Halter des Betriebsunternehmens ermöglicht, zu wirtschaftlichen Bedingungen eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Alle Tatbestände der G. begründen - im Rahmen der Höchstbeträge - auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Quelle: Duden Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. 1. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus 2007. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2007. | |||
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Grundgedanke [Bearbeiten]
Die Gesellschaft erlaubt bestimmte Verhaltensweisen trotz ihrer  Gefährlichkeit auf Grund ihrer sozialen Nützlichkeit (sozialadäquates  Verhalten). Wer z. B. an dem Straßenverkehr teilnimmt, ein Kernkraftwerk  betreibt, eine Eisenbahngesellschaft unterhält oder Produkte in den  Verkehr bringt, tut nichts Unrechtes, obwohl er weiß, dass sein  Verhalten unter Umständen gefährlich werden kann. Sein Verhalten ist  gesellschaftlich erwünscht. Der Grundgedanke der Gefährdungshaftung  liegt darin, dass derjenige, der Nutzen aus abstrakt gefährlichen  Handlungen zieht, welche die Gesellschaft für nützlich erachtet und  daher erlaubt, auch für die Schäden einstehen soll, die sich aus der  gefährlichen Handlung ergeben. Weil die Gefährdungshaftung nur Schäden  erfassen soll, die sich aus dem eigentümlichen Risiko der gefährlichen  Handlung ergeben, ist die Haftung für Schäden, für welche die  gefährliche Handlung zwar (mit)ursächlich ist, aber nicht die  spezifische Gefahr der Handlung betrifft (z. B. betriebsfremde Gefahren,  höhere Gewalt),  ausgeschlossen. Um die betriebsspezifische Gefahr zu ermitteln, ist  eine wertende Betrachtung in Ansehung des Schutzzwecks der Norm  vorzunehmen. Die Gefährdungshaftung ist Ausfluss der verteilenden  Gerechtigkeit (ius distributiva),  indem sie Risikosphären zuweist: ihr liegt das ethische Prinzip „wem  die Vorteile gebühren, der soll auch die Nachteile tragen“ zugrunde. Um  die Versicherbarkeit von Risiken zu ermöglichen, sind in der Regel  Haftungshöchstgrenzen festgesetzt worden.
 Deutschland [Bearbeiten]
Haftungstatbestände [Bearbeiten]
Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches  (BGB) unterschied man noch nicht klar zwischen Haftpflicht für  unerlaubte Handlungen und Haftpflicht für rechtmäßiges Verhalten.  Deshalb steht die Tierhalterhaftung (§ 833 BGB), die für Luxustiere  eine Gefährdungshaftung begründet, rechtssystematisch falsch unter dem  Titel 27 für unerlaubte Handlungen. Das gleiche galt für die frühere,  durch das Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934 abgelöste Haftpflicht für Wildschäden nach § 835 BGB a.F.
 Die wichtigsten Gefährdungshaftungstatbestände, die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB reichsrechtlich bereits in Kraft waren, sind die Haftung für Tötung, Körper- oder Gesundheitsschäden aus dem Betrieb einer Eisenbahn nach § 1 Haftpflichtgesetz  und die Haftung für Tod, Verletzung von Gesundheit, Körper oder einer  Sache durch Strom, Gase, Dämpfe oder Flüssigkeit, welche durch  Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlagen geführt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz).
 Fahrzeughalterhaftung [Bearbeiten]
Von besonderer praktischer Relevanz ist heute die Haftung des Fahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz  für Tod, Körper-, Gesundheits- oder Sachschäden, die sich aus dem  Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG ergeben. Der  Halter eines Fahrzeugs haftet für sämtliche Personen- und Sachschäden,  die bei dem Betrieb (gemeint ist durch den Betrieb, also nicht nur bei  Gelegenheit des Betriebs) entstanden sind. Betriebsfremde Gefahren  sollen, auch wenn sie durch den Betrieb des Fahrzeugs mitentstanden  sind, nach dem Schutzzweck der Norm (normativer Betriebsbegriff) nicht  erfasst werden. Deshalb schließt § 7 Abs. 2 StVG die Haftung des Halters  für Schäden aus höherer Gewalt aus. Bestandteil der  betriebsspezifischen Gefahr sind nach herrschender Meinung (BGHZ  29, 163) hingegen auch Risiken, die von einem ruhenden Fahrzeug  ausgehen, das im öffentlichen Verkehrraum auf verkehrsbeeinflussende  Weise ruht. Damit für die Kfz-Haftpflichtversicherer die Haftungsfälle  kalkulierbar bleiben, ist bei einem Personenschaden die Haftung auf  einen Kapitalbetrag von 600.000 € bzw. auf einen Rentenbetrag von  jährlich 36.000 € begrenzt. Bei einem Personenschaden an mehreren  Personen ist die Haftung bei 3.000.000 € Kapitalbetrag bzw. 180.000 €  jährlichen Rentenbetrag gedeckelt.
 Andere Gefährdungshaftungstatbestände [Bearbeiten]
Bedeutend ist auch die Haftung des Herstellers für Tod, Gesundheits-, Körper- oder Sachschäden wegen eines Produktfehlers nach § 1 Produkthaftungsgesetz. Der Inhaber einer Anlage haftet nach § 1 Umwelthaftungsgesetz  für den Tod, Körper-, Gesundheits- oder Sachschäden, die von  Umwelteinwirkungen, die durch diese Anlage abgegeben werden. Eine  Gefährdungshaftung findet auch für Schäden beim Betrieb von kerntechnischen Anlagen,  Flugzeugen, bei der Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut,  bei bislang unbekannten unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln usw.  statt.
 Abgrenzung zu deliktischen Haftungstatbeständen [Bearbeiten]
Die Gefährdungshaftung darf nicht mit der deliktischen Haftung für vermutetes Verschulden (z. B. Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz oder Haftung für nützliche Haustiere nach § 833 Satz 2 BGB) oder mit der Haftpflicht für fremdes Verschulden (z. B. Haftung des Schuldners für den Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB oder Haftung des Fabrikinhabers nach § 3 Haftpflichtgesetz)  verwechselt werden. Durch die Haftung für vermutetes Verschulden wird  der Geschädigte lediglich von der Pflicht befreit, ein Verschulden des  Schädigers nachzuweisen. Bei der Haftung für fremdes Verschulden wird  einer Person, die sich selbst rechtmäßig verhalten hat, die schuldhafte  pflichtwidrige Handlung eines anderen zugerechnet.
 Mehrere Schädiger [Bearbeiten]
Schädigen mehrere Personen einen anderen, so haften alle Schädiger gesamtschuldnerisch (§ 830, § 840, § 421  BGB). D. h. der Geschädigte kann sich in Höhe des vollen Betrags an  einem einzigen Schädiger schadlos halten, der dann bei den anderen Regress  zu nehmen berechtigt ist. Hier stellt sich das Problem, ob sich die  Höhe des Regresses nach Kopfzahl der Schädiger oder nach ihrem  Verursachungsbeitrag richtet. Problematisch ist auch, wenn nicht alle  Schädiger wegen Gefährdung haften, sondern ein Teil wegen unerlaubter  Handlung in Anspruch genommen wird. Sind diejenigen, welche auf Grund  erlaubten Verhaltens Schäden verursacht haben denjenigen, welche auf  Grund verbotenen Handelns andere geschädigt haben, gleichzustellen? Oder  tritt die Haftung wegen erlaubten Verhaltens hinter die Haftung wegen  unerlaubten Verhaltens zurück? Bemisst sich die Höhe des Regresses bei  einem deliktischen Schädiger auch nach dessen Verursachungsbeitrag oder  ist sein Grad an Verschulden mit einzubeziehen?
 Im deutschen Recht richtet sich die Höhe des Regresses im  Innenverhältnis nach heute herrschender Meinung nach  Verursachungsbeitrag (§ 17 Abs. 1 StVG, § 254 Abs. 1 BGB analog).  Hilfsweise kann beim deliktisch Handelnden ein besonderes Maß an  Verschulden seine Haftung im Innenverhältnis abweichend vom  Verursachungsanteil regeln. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung  mehrerer Kraftfahrzeughalter tritt die Besonderheit auf, dass im  Innenverhältnis derjenige nicht haftet, für den der Unfall ein  unabwendbares Ereignis war. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen  Haftung aus erlaubten Risiko und Haftung aus unerlaubter Handlung, tritt  die Haftung des Halters eines Luxustieres gegenüber deliktischen  Schädiger immer zurück. Diese Regel lässt sich nach umstrittener Meinung  aber nicht auf andere Gefährdungshaftungstatbestände ausweiten.
 Österreich [Bearbeiten]
In ähnlicher Weise ist auch in Österreich etwa die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs oder des Betriebsunternehmers einer Eisenbahn oder Seilbahn (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz), des Inhabers einer Energieanlage (Reichshaftpflichtgesetz), einer Atomanlage (Atomhaftungsgesetz) oder eines Flugzeuges (Bestimmungen im Luftfahrtgesetz) geregelt. Eine österreichische Besonderheit ist die Zulässigkeit der Analogie bei Gefährdungshaftung.
 Schweiz [Bearbeiten]
Eine ähnliche Haftung gibt es auch in der Schweiz unter der Bezeichnung Kausalhaftung, auch Gefährdungs- oder Gesetzeshaftung genannt. Sie steht in Bezug zum Treuhänder. Sinngemäß kann im schweizerischen Obligationenrecht  jede Person als Treuhänder bezeichnet werden, die stellvertretend für  einen Auftraggeber handelt. Diese Sichtweise findet beispielsweise in  den Verbandsnormen der Bauwirtschaft ihren Niederschlag. Als Treuhänder  gilt ein Architekt oder Ingenieur, der als Stellvertreter des Bauherrn auftritt und dessen Interessen wahrnimmt. Im Schadensfall hat dies Konsequenzen für den Schadenersatz. Alle am Bau beteiligten Parteien, also Planer und Unternehmer, haften solidarisch. Weist der Bauherr  einen Schaden nach, so kann er diesen im Aussenverhältnis von einem  Solidarhaftpflichtigen seiner Wahl ganz oder teilweise einfordern. Im  Innenverhältnis tritt somit die Regressordnung (Art. 51 Abs 2 OR) in Kraft, die auch für Haftpflichtversicherungen relevant ist. Diese besagt, dass der Schaden in erster Linie durch denjenigen zu tragen ist, der ihn durch eigenes Verschulden  verursacht hat. Kann die fehlerhafte Handlung, z. B. eines Bauarbeiters  oder Monteurs, nicht nachgewiesen werden, wird als zweites geprüft, ob  der Schaden durch die Garantiehaftung  eines oder mehrerer Unternehmer abgedeckt ist. Ist dies nicht der Fall,  kommt die Gefährdungshaftung der Planer (Treuhänder) zum Tragen. Um  einen Planer haftbar zu machen, sind ein Verschulden oder eine  entsprechende Vorschrift, sowie ein kausaler Zusammenhang mit dem Schaden die Voraussetzung. Fällt auch die Planung, einschließlich der Abmahnungspflicht  der Unternehmer, als haftungsbegründende Ursache weg, teilt der Richter  den Schaden unter den Solidarhaftpflichtigen nach seinem Ermessen auf. Die Beweislast  liegt also erstellerseitig bei den am Bau beteiligten Parteien. Dies  soll verhindern, dass der Bauherr zum Opfer eines „Schwarzpeterspiels“  wird.
 Eine Kausalhaftung existiert in der Schweiz für allfällige schwere Unfälle in Kernkraftwerken und weiteren Kernanlagen: Der Betreiber haftet für den eingetretenen Schaden – unabhängig seines Verschuldens – unbegrenzt[1].
 
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