Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 70/2011 vom 9. November 2011
Urteil vom 9. November 2011
2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10, 2 BvC 8/10
Fünf-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht verfassungswidrig
Leitsatz
zum Urteil des Zweiten Senats vom 9. November 2011
- 2 BvC 4/10 -
- 2 BvC 6/10 -
- 2 BvC 8/10 -
- 2 BvC 6/10 -
- 2 BvC 8/10 -
Der mit der Fünf-Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG
verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der
Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien ist
unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu
rechtfertigen.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvC 4/10 -
- 2 BvC 6/10 -
- 2 BvC 8/10 -
- 2 BvC 6/10 -
- 2 BvC 8/10 -
Verkündet
am 9. November 2011
Wolf
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
am 9. November 2011
Wolf
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
über
die Wahlprüfungsbeschwerden
gegen a) | den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 8. Juli 2010 - EuWP 38/09 -, |
b) | § 2 Abs. 7 EuWG |
gegen a) | den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 8. Juli 2010 - EuWP 35/09 -, |
b) | § 2 Abs. 7 EuWG, |
c) | § 2 Abs. 5, §§ 9, 15 und 16 EuWG |
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Michael Knobloch,
in Sozietät Rechtsanwälte Fluhme & Partner,
Bartelsstraße 56, 20357 Hamburg -
in Sozietät Rechtsanwälte Fluhme & Partner,
Bartelsstraße 56, 20357 Hamburg -
gegen a) | den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 8. Juli 2010 - EuWP 50/09 -, |
b) | § 2 Abs. 7 EuWG |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau,
Huber,
Hermanns
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau,
Huber,
Hermanns
Urteil
für Recht erkannt:
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
§ 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland in der
Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1994 (Bundesgesetzblatt I
Seite 424, bereinigt Bundesgesetzblatt I Seite 555), zuletzt geändert
durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und
Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 394),
ist mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und daher nichtig.
Im Übrigen werden die Wahlprüfungsbeschwerden zurückgewiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat die notwendigen
Auslagen dieses Verfahrens den Beschwerdeführern zu 1. und 3.
vollumfänglich und dem Beschwerdeführer zu 2. zu drei Vierteln zu
erstatten.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem heute
verkündeten Urteil entschieden, dass die bei der Europawahl 2009 (7.
Wahlperiode) geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel unter den gegenwärtigen
Verhältnissen gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der
Chancengleichheit der politischen Parteien verstößt, und daher die der
Sperrklausel zugrunde liegende Vorschrift des § 2 Abs. 7
Europawahlgesetz (EuWG) für nichtig erklärt. Demgegenüber hat der Senat
die von einem Beschwerdeführer gerügte Verhältniswahl auf der Grundlage
„starrer“ Listen nicht beanstandet.
Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel führt jedoch
nicht dazu, die Wahl zum Europäischen Parlament des Jahres 2009 für
ungültig zu erklären und eine Neuwahl anzuordnen.
Über den Sachverhalt, der den drei Wahlprüfungsbeschwerden zugrunde
liegt, informiert die Pressemitteilung Nr. 23/2011 vom 29. März 2011.
Sie kann auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts eingesehen
werden.
Die Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen. Die Richter Di Fabio und
Mellinghoff haben ein Sondervotum abgegeben.
Das Urteil beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
1. Das Europawahlgesetz ist als deutsches Bundesrecht an den im
Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und
Chancengleichheit der politischen Parteien zu messen. Der Grundsatz der
Gleichheit der Wahl gebietet bei der Verhältniswahl, die auch für die
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments gilt, dass - über die
Zählwertgleichheit hinaus - jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen
Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss.
Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verlangt, dass jeder
Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten
Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze
eingeräumt werden.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel bewirkt eine Ungleichgewichtung der
Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts, weil diejenigen
Wählerstimmen, die für Parteien abgegeben worden sind, die an der
Sperrklausel gescheitert sind, ohne Erfolg bleiben. Zugleich wird durch
die Fünf-Prozent-Sperrklausel der Anspruch der politischen Parteien auf
Chancengleichheit beeinträchtigt.
Differenzierende Regelungen bei der Wahlrechtsgleichheit und
Chancengleichheit der Parteien bedürfen stets eines besonderen, sachlich
legitimierten, „zwingenden“ Grundes. Sie müssen zur Verfolgung ihrer
Zwecke geeignet und erforderlich sein.
Der Gesetzgeber hat eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit
berührende Regelung des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu
ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch
neue Entwicklungen in Frage gestellt wird.
Für Differenzierungen verbleibt dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener
Spielraum. Die Ausgestaltung des Europawahlrechts unterliegt einer
strikten verfassungsgerichtlichen Kontrolle, weil die Gefahr besteht,
dass der deutsche Wahlgesetzgeber mit einer Mehrheit von Abgeordneten
die Wahl eigener Parteien auf europäischer Ebene durch eine Sperrklausel
und den hierdurch bewirkten Ausschluss kleinerer Parteien absichern
könnte. Die allgemeine und abstrakte Behauptung, durch den Wegfall der
Fünf-Prozent-Sperrklausel werde der Einzug kleinerer Parteien und
Wählergemeinschaften in die Vertretungsorgane erleichtert und dadurch
die Willensbildung in diesen Organen erschwert, kann den Eingriff in die
Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit nicht
rechtfertigen. Zur Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bedarf
es vielmehr der mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane.
2. Nach diesen Maßstäben durfte die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht
beibehalten werden. Die bei der Europawahl 2009 gegebenen und
fortbestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bieten keine
hinreichenden Gründe, die den mit der Sperrklausel verbundenen
schwerwiegenden Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und
der Chancengleichheit der politischen Parteien rechtfertigen.
Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass das Europäische Parlament mit
dem Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel in seiner Funktionsfähigkeit
beeinträchtigt werde, kann sich nicht auf ausreichende tatsächliche
Grundlagen stützen und trägt den spezifischen Arbeitsbedingungen des
Europäischen Parlaments sowie seiner Aufgabenstellung nicht angemessen
Rechnung. Zwar ist zu erwarten, dass ohne Sperrklausel in Deutschland -
sowie unter Berücksichtigung einer möglichen Beseitigung von
Zugangsbeschränkungen in anderen Mitgliedstaaten - die Zahl der nur mit
einem oder zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament vertretenen
Parteien zunimmt und es sich dabei auch nicht um eine zu
vernachlässigende Größenordnung handelt. Ohne Sperrklausel in
Deutschland wären statt aktuell 162 dann 169 Parteien im Europäischen
Parlament vertreten. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass dadurch die
Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments mit der erforderlichen
Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt würde. Zentrale Arbeitseinheiten des
Europäischen Parlaments sind die Fraktionen, die über eine erhebliche
Integrationskraft verfügen und es über die Jahre hinweg vermocht haben,
namentlich die im Zuge der Erweiterungen der Europäischen Union
hinzutretenden Parteien trotz der großen Bandbreite der verschiedenen
politischen Strömungen zu integrieren. Nach diesen Erfahrungen ist
jedenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass auch weitere
Kleinparteien, die beim Fortfall der Sperrklauseln im Europäischen
Parlament vertreten wären, sich den bestehenden Fraktionen anschließen
können.
Gleiches gilt für die Fähigkeit der Fraktionen, durch Absprachen in
angemessener Zeit zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen. Die
„etablierten“ Fraktionen im Europäischen Parlament haben sich in der
parlamentarischen Praxis kooperationsbereit gezeigt und sind in der
Lage, die erforderlichen Abstimmungsmehrheiten zu organisieren. Es ist
nicht ersichtlich, dass bei Wegfall der Fünf-Prozent-Sperrklausel mit
Abgeordneten kleiner Parteien in einer Größenordnung zu rechnen wäre,
die es den vorhandenen politischen Gruppierungen im Europäischen
Parlament unmöglich machen würde, in einem geordneten parlamentarischen
Prozess zu Entscheidungen zu kommen. Schließlich zeigt die Entwicklung
des Europäischen Parlaments, dass entsprechende Anpassungen der
parlamentarischen Arbeit an veränderte Gegebenheiten wie etwa eine
Zunahme der Zahl fraktionsloser Abgeordneter zu erwarten sind.
Zwar ist von den in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachkundigen und
Abgeordneten des Europäischen Parlaments übereinstimmend die Erwartung
geäußert worden, dass mit dem Einzug weiterer Kleinparteien in das
Europäische Parlament die Mehrheitsgewinnung erschwert werde. Damit
allein ist jedoch noch keine hinreichend wahrscheinlich zu erwartende
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments
dargelegt.
Des Weiteren sind die Aufgaben des Europäischen Parlaments durch die
europäischen Verträge so ausgestaltet, dass es an zwingenden Gründen, in
die Wahl- und Chancengleichheit einzugreifen, fehlt. Eine - bei der Wahl
zum Deutschen Bundestag - vergleichbare Interessenlage besteht auf
europäischer Ebene nach den europäischen Verträgen nicht. Das
Europäische Parlament wählt keine Unionsregierung, die auf seine
fortlaufende Unterstützung angewiesen wäre. Ebenso wenig ist die
Gesetzgebung der Union von einer gleichbleibenden Mehrheit im
Europäischen Parlament abhängig, die von einer stabilen Koalition
bestimmter Fraktionen gebildet würde und der eine Opposition
gegenüberstünde. Zudem ist die unionale Gesetzgebung nach dem
Primärrecht so konzipiert, dass sie nicht von bestimmten
Mehrheitsverhältnissen im Europäischen Parlament abhängig ist.
3. Die gegen die Wahl nach „starren“ Listen erhobene Rüge greift dagegen
nicht durch. Nach dem Unionsrecht bleibt es den Mitgliedstaaten
vorbehalten, sich entweder für eine Wahl mit gebundenen - durch den
Wähler nicht veränderbaren - Listen oder für offene - die Möglichkeit
der Veränderung der Reihenfolge der Wahlbewerber auf den Wahlvorschlägen
gewährende - Listen zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat
bereits für nationale Wahlen wiederholt festgestellt, dass die Wahl nach
„starren“ Listen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Neue
Argumente, die für die Europawahl Anlass zu einer anderen Beurteilung
geben könnten, sind nicht vorgetragen worden.
4. Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel hat die
Nichtigerklärung der sie regelnden Bestimmung des § 2 Abs. 7 EuWG zur
Folge. Der Wahlfehler führt jedoch nicht dazu, die Wahl zum Europäischen
Parlament des Jahres 2009 in Deutschland für ungültig zu erklären und
eine erneute Wahl anzuordnen. Denn im Rahmen der gebotenen Abwägung ist
dem Bestandsschutz der im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit des
Europawahlgesetzes zusammengesetzten Volksvertretung Vorrang gegenüber
der Durchsetzung des festgestellten Wahlfehlers einzuräumen. Eine
Neuwahl in Deutschland wirkte sich störend und mit nicht abschätzbaren
Folgen auf die laufende Arbeit des Europäischen Parlaments aus,
insbesondere auf die Zusammenarbeit der Abgeordneten in den Fraktionen
und Ausschüssen. Demgegenüber ist der Wahlfehler nicht als
„unerträglich“ anzusehen. Er betrifft nur einen geringen Anteil der
Abgeordneten des deutschen Kontingents und stellt die Legitimation der
deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments in ihrer Gesamtheit
nicht in Frage.
Sondervotum der Richter Di Fabio und Mellinghoff:
Die Richter Di Fabio und Mellinghoff tragen die Entscheidung in Ergebnis
und Begründung nicht mit. Sie sind der Auffassung, dass die
Senatsmehrheit durch eine zu formelhafte Anlegung der Prüfungsmaßstäbe
den Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit
politischer Parteien nicht überzeugend gewichte. Der Senat ziehe den
Gestaltungsspielraum des Wahlgesetzgebers zu eng und nehme eine mögliche
Funktionsbeeinträchtigung des Europaparlaments trotz dessen gewachsener
politischer Verantwortung in Kauf.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei keine bereits dem Grunde nach
verbotene Differenzierung. Sie stelle vielmehr eine ergänzende Regelung
zum Verhältniswahlrecht dar. Das Verhältniswahlsystem mit der
Annexbedingung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel sei aus Sicht der
Erfolgswertgleichheit weitaus weniger einschneidend als ein - vom
Grundgesetz ebenfalls erlaubtes - einstufiges Mehrheitswahlsystem,
welches dazu führen könne, dass sogar mehr als 50% der im Wahlkreis
abgegebenen Stimmen ohne jede Mandatswirkung blieben. Die Wahlgrundsätze
aus Art. 38 GG nötigten nicht zur Ausgestaltung eines reinen
Wahlsystems, sondern ließen Modifikationen und Mischungen zu. Die
verfassungsgerichtliche Prüfung dürfe kein einzelnes Element eines
Wahlsystems herausgreifen und daran strenge Gleichheitsanforderungen
richten. Wahlrechtsfragen seien der politischen Gestaltung des
Gesetzgebers unterworfen, dessen Regelungsauftrag angesichts der
Allgemeinheit der Wahlgrundsätze dem Bundesverfassungsgericht
Zurückhaltung auferlege.
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei sachlich gerechtfertigt, um für das
deutsche Kontingent eine zu weitgehende Zersplitterung der im
Europaparlament vertretenen politischen Parteien zu verhindern. Dabei
trage Deutschland zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten insgesamt
Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Europaparlaments. Gerade
die Staaten mit größeren Mandatskontingenten leisteten in ihrem
Gestaltungsrahmen durchaus Beiträge gegen eine weitere Zergliederung des
Europaparlaments. Neben Sperrklauseln enthielten die Wahlsysteme in den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch wahltechnische
Ausgestaltungen, die ohnehin zu Differenzen in der Erfolgswertgleichheit
führten. Mit der isolierten Aufhebung der deutschen
Fünf-Prozent-Sperrklausel durch den Senat werde daher im europäischen
Umfeld ein Sonderweg beschritten. Der Differenzierungsgrund der
Funktionsbeeinträchtigung des Parlaments werde durch den Senat letztlich
auf eine Funktionsunfähigkeit begrenzt, ohne dass die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts hierfür eine Grundlage biete. Ein sachlicher
Grund für die Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bestehe
bereits in der Verringerung möglicher Funktionsbeeinträchtigungen des
Europaparlaments und liege nicht erst dann vor, wenn dessen künftige
Handlungsunfähigkeit zu erwarten sei.
Der Umstand, dass es dem Europaparlament bisher - unter Bedingungen
großer Heterogenität - gelungen sei, eine mehrheitsfähige Willensbildung
herbeizuführen, könne kein Argument dafür sein, dass die Verhinderung
einer zusätzlichen parlamentarischen Zergliederung die Sperrklausel
nicht rechtfertigen könne. Jede weitere politische Fragmentierung erhöhe
den zeitlichen und personellen Aufwand, Konsens herbeizuführen und
verkleinere größere politische Richtungen mit Wiedererkennungswert für
die Wähler. Dem Gesetzgeber müsse, gerade vor dem Hintergrund, dass sich
das Europaparlament nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon in
einer neuen Phase seiner Entwicklung befinde, ein Spielraum für die
Beurteilung von Funktionsrisiken zugebilligt werden.
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