Im deutschen Strafprozessrecht können Zufallserkenntnisse im Rahmen einesStrafverfahrens zumeist verwertet werden.
Im Grundsatz gilt die Theorie des sog. hypothetischen Wiederholungseingriffs (Hypothese der rechtmäßigen Alternativerlangung). Danach kommt es darauf an, aus welcher Ermittlungsmaßnahme das Beweismittel bzw. die Beweisinformation herrührt: Darf eine Maßnahme nur bei bestimmten, schweren Straftaten angewandt werden (Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung, verdeckte Ermittlungen), so sind daraus gewonnene Zufallsfunde nur zum Beweis solcher schwerer Straftaten verwertbar, wegen der die Maßnahme ursprünglich hätte angeordnet werden dürfen (Vgl. §§ 161 Absatz 2, 477 Absatz 2 StPO). Ist eine Ermittlungsmaßnahme dagegen – wie etwa die Durchsuchung – bei jeder Straftat zulässig, so sind auch daraus gewonnene Zufallsfunde unbeschränkt verwertbar (vgl. § 108 Absatz 1 StPO).
Als Zufallsfund bzw. als sogenannte Zufallserkenntnis bezeichnet man imStrafverfahrensrecht jede rechtmäßig erlangte Beweisinformation, die im Strafverfahren zu einem Zweck verwendet wird oder verwendet werden soll, der nicht dem ursprünglichen, die Informationserhebung legitimierenden Zweck entspricht.[1] Dies sind zumeist Beweismittel oder Hinweise auf Straftaten, die im Rahmen vonErmittlungen wegen einer anderen Straftat durchStrafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft,Polizei, Zoll) gefunden werden.
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[Verbergen]Beispiele[Bearbeiten]
Wenn die Staatsanwaltschaft zum Beispiel Ermittlungen wegen der Bildung einer Kriminellen Vereinigung einleitet und bei einer Durchsuchung in der vermeintlich konspirativen Wohnung zwar keinen Hinweis auf eine kriminelle Vereinigung, wohl aber Drogen findet, dann sind diese Drogen ein Zufallsfund. Sollten im o.g. Beispiel die Drogen zuzuordnen sein, ergibt sich ein neuer Tatverdacht, welcher möglicherweise eine Sicherstellung bzw. Beschlagnahme zulässt.
Weitere Beispiele:
- Bei einer heimlichen Telefonüberwachung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gesteht der nichtsahnende Gesprächspartner des Beschuldigten, sich nachts zuvor unerlaubt von einem Unfallort entfernt zu haben.
- Die polizeiliche Videoüberwachung während eines Fußballspiels zeichnet nicht nur Gewalttaten, sondern auch den Trickdiebstahl durch einen Tribünengast auf.
- DNA-Identifizierungsmuster, die am Tatort eines Tötungsverbrechens gefunden werden, lassen sich über die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes einem Jahre zurückliegenden Bankraub zuordnen.
Situation in Deutschland[Bearbeiten]
Im deutschen Strafprozessrecht können Zufallserkenntnisse im Rahmen einesStrafverfahrens zumeist verwertet werden.
Im Grundsatz gilt die Theorie des sog. hypothetischen Wiederholungseingriffs (Hypothese der rechtmäßigen Alternativerlangung). Danach kommt es darauf an, aus welcher Ermittlungsmaßnahme das Beweismittel bzw. die Beweisinformation herrührt: Darf eine Maßnahme nur bei bestimmten, schweren Straftaten angewandt werden (Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung, verdeckte Ermittlungen), so sind daraus gewonnene Zufallsfunde nur zum Beweis solcher schwerer Straftaten verwertbar, wegen der die Maßnahme ursprünglich hätte angeordnet werden dürfen (Vgl. §§ 161 Absatz 2, 477 Absatz 2 StPO). Ist eine Ermittlungsmaßnahme dagegen – wie etwa die Durchsuchung – bei jeder Straftat zulässig, so sind auch daraus gewonnene Zufallsfunde unbeschränkt verwertbar (vgl. § 108 Absatz 1 StPO).
Im Einzelnen werden jedoch weitgehende, zum Teil sehr schwierig abzugrenzende Ausnahmen zugelassen. So kommt es darauf an, ob eine Zufallserkenntnis unmittelbar zum Beweis einer Straftat verwertet werden soll oder ob mit seiner Hilfe nur andere Beweisinformationen gefunden werden (sog. Fernwirkung). Weiterhin können Ausnahmen bestehen, wenn sich die Tat, wegen der ermittelt wurde, und jene Tat, die mit dem Zufallsfund bewiesen werden soll, als sog. prozessuale Einheit darstellen.[2]
Kritik[Bearbeiten]
Da das Maß der Ermittlungsbefugnisse zum Teil von den Straftaten abhängt, wegen derer ermittelt wird (siehe: Katalogstraftat), besteht der Verdacht, dass zum Teil Verfahren eingeleitet werden, um gezielt nach „Zufallsfunden“ zu suchen, die man mit den an sich zulässigen Ermittlungsmethoden nicht erlangt hätte.
Erweiterte Ermittlungsbefugnisse sind z. B.Postkontrolle und Telefonüberwachung (§ 100a StPO), langfristige Observationen (§§ 100c StPO Abs. 1 a b und 163f StPO), der systematische Einsatz von V-Leuten undverdeckten Ermittlern (§ 110a StPO bzw. § 110c StPO), die Rasterfahndung, des Weiteren die 1994 eingeführte und 1999 ausgelaufeneKronzeugenregelung (§ 129 Abs. 2 StGB alte Fassung) und seit 1998 auch der Große Lauschangriff in und aus Wohnungen (§ 100cAbs. 1, Nr. 3 StPO).
Diese Befugnisse hätte man z. B. bei Drogendelikten im Bagatellbereich oder einfacherSachbeschädigung (Graffiti) nicht, wohl aber, wenn man den (letztlich nicht haltbaren) Zusammenhang zu einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung herstellt.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Grawe: Die strafprozessuale Zufallsverwendung: Zufallsfunde und andere Zweckdivergenzen bei der Informationsverwendung im Strafverfahren, 2008, S. 191ff.
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