Gestaltungsrecht
Das Gestaltungsrecht ist ein relatives subjektives Recht,
durch das einseitig ein neues Recht begründet oder ein bestehendes
Rechtsverhältnis geändert oder aufgehoben werden kann. Es ist
Voraussetzung für ein wirksames Gestaltungsgeschäft.
Das Gestaltungsrecht (Ausnahme: z. B. Aneignung, vgl. unten) muss dem anderen Teil gegenüber durch Gestaltungserklärung ausgeübt werden (empfangsbedürftige Willenserklärung). Die Wirkung des Gestaltungsrechts tritt dann mit Zugang der Erklärung ein; allerdings gibt es auch Gestaltungsrechte, welche durch ein Gerichtsverfahren ausgeübt werden müssen (sogenannte Gestaltungsklagerechte).
Das Gestaltungsrecht (Ausnahme: z. B. Aneignung, vgl. unten) muss dem anderen Teil gegenüber durch Gestaltungserklärung ausgeübt werden (empfangsbedürftige Willenserklärung). Die Wirkung des Gestaltungsrechts tritt dann mit Zugang der Erklärung ein; allerdings gibt es auch Gestaltungsrechte, welche durch ein Gerichtsverfahren ausgeübt werden müssen (sogenannte Gestaltungsklagerechte).
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Wegen dieser einseitigen Rechtsmacht, die durch Gestaltungsrechte
verliehen wird, bedarf das Gewähren eines Gestaltungsrechts einer
besonderen Rechtfertigung aus Vertrag oder Gesetz.
Gestaltungsrechte sind beispielsweise
- besondere vertragliche Gestaltungsrechte, z. B. bestimmte Anpassungsklauseln
- Kündigung
- Bestätigung i.S.d. §§ 141 und 144 BGB
- Zustimmung
- Rücktritt, § 323 BGB, § 276 HGB
- Widerruf
- eines Stiftungsgeschäft bis zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit (§ 81 Abs. 3 BGB)
- bei noch nicht zugegangenen oder gleichzeitig zugehenden Willenserklärungen (§ 130 BGB)
- einer Vollmacht (§§ 168, 171 und 178 BGB)
- bei bestimmten genehmigungspflichtigen Geschäften (§§ 109 und 178 BGB)
- einer Einwilligung (§§ 183 und 630d Abs. 3 BGB)
- einer Schenkung (§ 530 BGB)
- einer Auslobung (§ 658 BGB)
- des Auftraggebers, (bzw. Kündigung des Beauftragten) (§ 671 BGB)
- einer Anweisung (§ 790 BGB)
- Widerrufsrecht im Verbraucherschutz (§§ 312 ff., §§ 355 ff., §§ 485, 495, 499 und 510 BGB)
- Anfechtung
- Aufrechnung
- Minderung, (§§ 441 und 638 BGB)
- Kaufoption
- Wiederkauf- und Vorkaufsrecht
- Aneignung
- Dereliktion
- im bestimmten Rahmen: Direktionsrechts des Arbeitgebers (vgl. Dienstvertrag)
- Bestimmung der Leistung durch eine Partei nach §§ 315 ff. BGB
- steuerliche Aufgabe eines Betriebes bei Betriebsunterbrechung oder Verpachtung desselben (§ 16 Abs. 3b EStG)
- Einreden; diese werden teilweise als unechte Gestaltungsrechte bezeichnet, weil sie das Rechtsverhältnis unberührt lassen, es nach der Einrede allerdings (in dieser Form) nicht durchgesetzt werden kann
Mit der Ausübung des Kündigungsrechts endet der gekündigte Vertrag,
mit der Ausübung des Rücktrittsrechts (etwa bei einem Kaufvertrag)
wandelt sich der betroffene Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis
und mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt unmittelbar ein
Kaufvertrag zwischen dem Ausübenden und dem Vorkaufsschuldner zustande.
Die Aneignung hat die Besonderheit, dass keine weitere Person von der
Rechtsgestaltung berührt ist.
Gestaltungsrechte sind grundsätzlich wie alle einseitigen Rechtsgeschäfte (so auch Prozesshandlungen) bedingungs-, befristungsfeindlich sowie unwiderruflich, weil Rechtsunsicherheit vermieden werden soll.
Im Prozess sind jedoch sogenannte innerprozessuale Bedingungen
erlaubt, da dort das Gericht über die Anträge der Parteien zu
entscheiden hat und so keine Rechtsunsicherheit entsteht.
Innerprozessuale Bedingungen sind Ausfluss des Dispositionsrechtes
der Parteien, wonach diese alleine den Streitgegenstand bestimmen, also
darüber disponieren können. Eine weitere Ausnahme der
Bedingungsfeindlichkeit sind sog. Potestativbedingungen,
die dann vorliegen, wenn der Erklärungsempfänger den Eintritt der
Bedingung alleine steuern kann, also auch keine Rechtsunsicherheit zu
seinen Lasten eintritt. Außerdem sind Bedingungen zulässig, die von
einer Rechtsfrage abhängig gemacht werden, sog. Rechtsbedingungen.
Die Unwiderruflichkeit gilt dann nicht, wenn der Gestaltungsgegner
die Wirksamkeit der Gestaltung bestreitet, da in diesem Fall der
Widerruf nur den Zustand wieder herstellt, welcher der Gestaltungsgegner
beansprucht und somit keine weitere Unsicherheit für diesen erzeugt
(Ausnahme vgl. § 9 Kündigungsschutzgesetz)..[1]
Maßgeblicher Zeitpunkt
Die Wirksamkeit aller Gestaltungsrechte beurteilt sich ausschließlich
nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erklärung. Auf einen
nachträglichen Wegfall des Gestaltungsgrundes kommt es nicht an. Das
wird in Rechtsgebieten, denen eine ausgeprägte soziale Komponente
anhaftet, vielfach als nicht für jeden Fall sachgerecht angesehen. Daher
haben Gesetzgeber und Rechtsprechung Korrekturen vorgenommen: Im Arbeitsrecht entsteht für den Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn der Kündigungsgrund nachträglich entfällt, z. B. weil ein beabsichtigter Arbeitsplatzabbau vom Arbeitgeber doch nicht umgesetzt wird. Im Mietrecht normiert § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB
die Unwirksamkeit der Kündigung wegen nach Zugang der
Kündigungserklärung eintretender Umstände. Nimmt der Vermieter das Recht
zur außerordentlichen Kündigung bei Zahlungsverzug wahr, so kann der
Mieter die Kündigung noch dadurch unwirksam werden lassen, dass er den
Vermieter bis zum Ablauf zweier Monate nach Eintritt der
Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich des fälligen
Mietzinses befriedigt. Die zunächst wirksame Kündigung wird also als
Rechtsfolge der Vorschrift nachträglich unwirksam.
Übertragung
Da Gestaltungsrechte keine Ansprüche sind, können sie nicht direkt nach § 398
BGB abgetreten werden. Eine isolierte Abtretung scheidet somit aus.
Jedoch können bestimmte Gestaltungsrechte mit dem Anspruch, zu dem sie
gehören, abgetreten werden. So kann ein Anspruch auf Übereignung eines
Buchs, bei dem dem Vertragsschließenden ein Widerrufsrecht zusteht, auch
mit diesem Widerrufsrecht abgetreten werden (§ 413 BGB).
Rücknehmbarkeit
Ein ausgeübtes Gestaltungsrecht kann grundsätzlich nicht mehr
einseitig zurückgenommen werden, da dies der Rechtssicherheit
widersprechen würde. Jedoch kann z. B. eine ausgesprochene Kündigung durch beide Parteien einverständlich aufgehoben werden.
Erlöschen
Aus Gründen der Rechtssicherheit erlöschen viele Gestaltungsrechte nach einer bestimmten Zeit. Darüber hinaus können Gestaltungsrechte verwirken.
Keine Verjährung
Ausschlussfristen
Von der Verjährung sind Ausschlussfristen
zu unterscheiden. Mit Ablauf der Frist geht das Gestaltungsrecht unter.
Ausschlussfristen können gesetzlich angeordnet sein. Insbesondere im
Arbeitsrecht spielen aber auch Ausschlussfristen kraft Tarifvertrag oder
Arbeitsvertrag eine große Rolle.
- Die Irrtumsanfechtung muss "unverzüglich" (§ 121 S. 1 BGB), die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung innerhalb eines Jahres (§ 124 Abs. 1 BGB) erfolgen.
- Der den Verbraucher schützende Widerruf muss innerhalb der Fristen des § 355 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB erklärt werden. Beim Widerrufsrecht hängt der Fristbeginn meist davon ab, dass der Verbraucher über die Möglichkeit des Widerrufs belehrt wurde.
Mitunter wird das Erlöschen eines Gestaltungsrechts auch an die Verjährung eines Anspruches geknüpft, wie es § 218 BGB für das Rücktrittsrecht tut, um das Erlöschen als Einrede auszugestalten.
Gestaltungsgegenrechte
In einigen Fällen ist ein Gestaltungsgegenrecht des vom
Gestaltungsrecht Betroffenen möglich. So sieht beispielsweise das Gesetz
in bestimmten Fällen ein (hier nicht abdingbares) Recht des
Wohnraummieters gegen eine Kündigung des Vermieters nach § 574
BGB vor. Zur Wirksamkeit des Gestaltungsgegenrecht ist hier theoretisch
keine gerichtliche Durchsetzung nötig, auch wenn in der Praxis es wohl
zu einer solchen kommen dürfte. Ist das Gegenrecht nur im Wege einer
Klage durchsetzbar spricht man auch von einem Gestaltungsgegenklagerecht.[1]
Gestaltungsklagerechte
→ Hauptartikel: Gestaltungsklage
Hierbei muss der Gestaltende Klage erheben, um die Gestaltungswirkung
durch Urteil erzielen zu können. Solche Urteile heißen auch
Gestaltungsurteile, welche im Gegensatz zu z. B. Leistungsurteilen
keiner Vollstreckung bedürfen. [1] Beispiele für Gestaltungsklagerechte finden sich vor allem im Familien- und Gesellschaftsrecht:
- Ehescheidung (§§ 1564 ff. BGB)
- Anfechtung einer Vaterschaft (§ 1599 Abs. 1 BGB)
- bei einer OHG bzw. KG (§ 161 Abs. 2 HGB):
- Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG (§§ 241 ff. AktG)
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